Aichach. Geschichte einer Stadt in Bayern.
Christoph Lang, Wilhelm Liebhart, Sarah Schormair, Klaus Wolf, (Hgg.)
Regensburg. Verlag Friedrich Pustet, 2025. 452 Seiten. ISBN 978-3-7917-3562–7

Sorgfältig nehmen die Herausgeber mit Hilfe der Expertise zahlreicher renommierter Autoren und vielfältigen Archivmaterialien den Leser auf rund 450 Seiten an die Hand und führen ihn entlang des Geländers der Chronologie und einiger Themenschwerpunkte durch die rund 2000 Jahre Geschichte, die für die Entwicklung von Aichach relevant waren und sind.

Los geht es in der Römerzeit mit Funden zur damaligen Besiedelung. Ein Exkurs führt zu den topographischen Namen der Region und hinein ins Mittelalter, das rund um Aichach unter anderem von frühindustrieller Eisengewinnung und Verhüttung geprägt war.

Den Wittelsbachern, die für die Entwicklung Aichachs von großer Bedeutung waren, wird in mehreren Kapiteln Raum gegeben, indem ihre verschiedenen Rollen als Pfalzgrafen, Stadtgründer und nicht zuletzt als Könige und Kaiser in mehreren Stufen beleuchtet wird.

Ein eigenes Kapitel stellt das jüdische Leben in Aichach dar – vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert.

Große Kinder der Stadt, die ihre Spuren weit über die Grenzen Aichachs und Bayerns hinaus hinterlassen haben, wie z. B. der Astronom Johannes Engel, der Komponist Mathias Greiter, der auch in Straßburg wirkte, der Franziskaner-Missionar Theodor Krump und der Schriftsteller Ludwig Steub, werden ebenso gewürdigt wie die Bedeutung großer Familien der Stadt, wichtiger Stadtväter, bedeutender Geistlicher und Bürgermeister.

Der Tradition des Wallfahrens wird ein eigenes Kapitel gewidmet, in dem mit Regesten die zahlreichen Wunder(-heilungen) tabellarisch aufgeführt sind. Eine Betrachtung herausragender Bauwerke, die in Zusammenhang mit der Wittelsbacher Dynastie stehen, wie das Nationaldenkmal bei Oberwittelsbach oder die Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt, das Herzoglich-Wittelsbachische Burgschloss und das Heilig-Geist-Spital, dessen Geschichte ebenfalls ein eigenes Kapital gewidmet ist, bieten dem Leser zahlreiche Optionen für die Wahrnehmung der Entwicklung der Stadt.

Wie bewegt die politische Geschichte Aichachs war, lässt sich erkennen, wenn die Autoren den Leser durch die vielen Kriege und Konflikte führen, an denen Aichach beteiligt oder von denen die Stadt betroffen war. In gewisser Hinsicht auch eine Kehrseite des feudalen Glanzes, die sich u. a. in Erbfolgekriegen ausdrückt. Weiter geht es in der Reformationszeit mit dem Schmalkaldischen Krieg und dem Dreißigjährigen Krieg im 17. Jahrhundert. Wie stark das Schicksal Aichachs auch in der Neuzeit immer wieder von Krieg und Not geprägt war, erfährt der Leser wieder aufs Neue im Kapitel über die Franzosenzeit.

Die Zeit des 1. Weltkriegs und die Jahre danach führen den Leser dann in das 20. Jahrhundert, wo im Anschluss die NS-Zeit in Aichach ausführlich dokumentiert wird, ebenso wie Zeit des 2. Weltkriegs. Die bewegte Nachkriegszeit, in der sich Aichach komplett gewandelt hat, führt den Leser in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Auf die Gebietsreform der 70er Jahre, die nicht nur für Aichach von großer Bedeutung war, wird ebenso eingegangen wie auf die Bedeutung der evangelischen Kirchengemeinde in Altomünster. Eine Reflexion zu Urbanität und städtischem Leben über Räume und Zeiten hinweg schließt den weit aufgespannten Bogen philosophisch ab

Dass die Herausgeber mit ihrem Forschungsobjekt eng verbunden sind, müssen sie nicht eigens beweisen, haben sie doch weite Teile ihres Berufslebens ihrer Stadt bzw. der Region gewidmet: Christoph Lang, ehemaliger Leiter des Stadtarchivs und Stadtmuseums, ist Bezirksheimatpfleger von Schwaben, Wilhelm Liebhart war Professor für Geschichte, Politik und Literatur an der TH Augsburg, Sarah Schormair leitet die städtischen Museen und das Stadtarchiv in Aichach und Klaus Wolf lehrt als Professor für bayerische Literaturgeschichte an der Universität Augsburg.

Der Sammelband zur Geschichte Aichachs ist das bisher umfassendste Werk. Der Anspruch dabei war hoch, was die zahlreichen Quellenverweise belegen. Dass die Erarbeitung der Geschichte Aichachs für die Herausgeber und die renommierten Autoren aber auch eine Herzensangelegenheit war, merkt man beim Lesen der Abhandlungen und Details deutlich. Der modulare Aufbau ermöglicht dem Leser, dort einzusteigen, wo sein Interesse vielleicht gerade am ausgeprägtesten ist. Sich dem strukturellen Aufbau des Werkes hinzugeben und sich führen zu lassen, also einfach vorne anzufangen, ergibt aber auch viel Sinn.

Sehr sorgfältig und manchmal geradezu liebevoll nehmen die Autoren den Leser an die Hand, um ihn mit der Entwicklung der Stadt vertraut zu machen und fundiertes Wissen zu allem rund um Aichach zu vermitteln. Facettenreich und gründlich wird zur Geschichte und allen ihren Ausprägungen erzählt, die Aichach seine ganz eigene Identität gegeben haben.

Alle Perspektiven der Stadtgeschichte werden aufgerufen und beleuchtet, um sie mit den Stimmen ihrer Experten zum Sprechen zu bringen. Besondere Beachtung verdient die Einbindung der zahlreichen Archivmaterialien, seien es Bilder, Belege in Zeitreihen, Regesten oder historische Landkarten und Zeichnungen. So wird nicht nur das Veranschaulichen der großen Traditionen der Stadt in Gewerbe und Handwerk im Mittelalter, der Renaissance und der Neuzeit unterstützt und ergänzt, sondern beispielsweise auch eine recht plastische Vorstellung von der Wirtschaftskraft Aichachs auch über die Zeiten hinweg erzeugt.

Und dass die Liebe der Herausgeber und Autoren zu ihrer Stadt und Region wirklich echt ist, merkt man daran, dass es keine Beschönigungen gibt und keinerlei Versuche, dem Leser mit den Inhalten zu gefallen. Man ist wissenschaftlich unterwegs, was überzeugend ist und einnehmend zugleich.

Was dem Leser vielleicht noch zusätzlich Freude bereitet hätte, wäre eine zentral angelegte Übersichtslandkarte gewesen, die das Auffinden und Zuordnen der einzelnen Schauplätze noch etwas einfacher gemacht hätte. Aber das ist ein Wunschkonzert auf ganz hohem Niveau. Der Sammelband zu Aichachs Geschichte setzt auf jeden Fall einen neuen Standard hinsichtlich der Erarbeitung einer umfassenden Stadtgeschichte – für Aichach selbst, aber bestimmt auch für andere Städte und Kommunen.

Also, Wanderer, kommst du nach Aichach, dann solltest du vorher unbedingt diesen Sammelband gelesen haben!

Helga Frank und Michael Mautner, München im September 2025